Über der Arktis - Klimawandel löst Rekord-Ozonverlust aus

Über der Arktis — Klimawandel löst Rekord-Ozonverlust aus

Bis­her ging man in der For­schung davon aus, dass sich die Ozon­schicht über der Ark­tis im Zuge des welt­wei­ten FCKW-Ver­bots erho­len wird. Eine neue Stu­die zeigt nun, dass das womög­lich doch nicht so bald passiert.

Über einen kom­ple­xen Mecha­nis­mus sorgt der Kli­ma­wan­del offen­bar auch für einen ver­stärk­ten Abbau von Ozon über der Ark­tis. Das berich­ten For­schen­de des Bre­mer­ha­ve­ner Alfred-Wege­ner-Insti­tuts im Wis­sen­schafts­ma­ga­zin “Natu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons”. Bei der “Mosaic”-Expedition war im Früh­jahr 2020 ein Rekord-Ozon­ver­lust über der Ark­tis erfasst wor­den. “Eine umfas­sen­de Ana­ly­se hat nun erge­ben, dass dies auch das Resul­tat von Kli­ma­ver­än­de­run­gen war”, erklär­te Expe­di­ti­ons­lei­ter Mar­kus Rex.

Die Stu­die zei­ge, dass trotz des welt­wei­ten Ver­bots ozon­zer­stö­ren­der Sub­stan­zen bis zum Ende des 21. Jahr­hun­derts mit wei­ter zuneh­men­den Ozon­ver­lus­ten im ark­ti­schen Polar­wir­bel zu rech­nen ist, wenn der Kli­ma­wan­del unge­bremst vor­an­schrei­tet. Das kann Fol­gen für die Men­schen in Euro­pa, Nord­ame­ri­ka und Asi­en haben: “Denn der ark­ti­sche Polar­wir­bel drif­tet immer mal wie­der auch über Mit­tel­eu­ro­pa, so dass es auch in Deutsch­land jeweils im Früh­jahr zu eini­gen Tagen redu­zier­ter Ozon­schicht kom­men kann, was dann in die­sen Peri­oden zu erhöh­ter UV-Strah­lung und letzt­lich zu Son­nen­brän­den und grö­ße­rer Haut­krebs­ge­fahr füh­ren kann”, erklär­te Rex.

Der Polar­wir­bel ist ein Tief­druck­ge­biet in der Stra­to­sphä­re in 15 bis 50 Kilo­me­tern Höhe, das sich in jedem Herbst über der Ark­tis bil­det und unter­schied­lich lan­ge über den Win­ter bis in das Früh­jahr hin­ein bestehen bleibt. Die Dich­te der Ozon­schicht über der Ark­tis schwankt im Jah­res­ver­lauf und erreicht stets im Früh­jahr ihren gerings­ten Wert.

Stratosphäre stark abgekühlt

Im Früh­jahr 2020 war von “Mosaic”-Forschern ein Rekord­ver­lust regis­triert wor­den: Im Höhen­be­reich des Ozon­ma­xi­mums waren dem­nach etwa 95 Pro­zent des Ozons zer­stört. Die Ozon­schicht-Dicke sei dadurch um mehr als die Hälf­te redu­ziert wor­den — obwohl die Kon­zen­tra­ti­on ozon­zer­stö­ren­der Sub­stan­zen seit der Jahr­tau­send­wen­de sin­ke. Das Team um die AWI-Wis­sen­schaft­ler Peter von der Gathen und Mar­kus Rex sowie Ross Sala­witch von der Uni­ver­si­ty of Mary­land schätz­ten basie­rend auf Com­pu­ter­mo­del­len den Ozon­ab­bau im ark­ti­schen Polar­wir­bel bis zum Jahr 2100 ab. “Damit es zu einem Abbau von Ozon in der Ark­tis kommt, muss sich die Stra­to­sphä­re im Bereich der Ozon­schicht stark abküh­len”, erklär­te von der Gathen.

Den Forschern geht es darum, die Wechselwirkungen zu verstehen, die das arktische Klima und das Leben im Nordpolarmeer prägen.

WISSEN12.10.20 Mosaic-Expe­di­ti­on beendet“Polarstern” kehrt aus dem Nord­po­lar­meer heim

Gene­rell gibt es dem­nach unre­gel­mä­ßig mal war­me und mal kal­te stra­to­sphä­ri­sche Win­ter im Polar­wir­bel — die Ana­ly­se meteo­ro­lo­gi­scher Daten der letz­ten 56 Jah­re zei­ge jedoch einen Trend hin zu tie­fe­ren Tem­pe­ra­tu­ren in den kal­ten stra­to­sphä­ri­schen Win­tern. Dies gehe mit stei­gen­den Ozon­ver­lus­ten ein­her. Die Aus­wer­tung der Model­le zei­ge klar, dass der Trend Teil des Kli­ma­wan­dels ist. 

Der kom­ple­xe Mecha­nis­mus dahin­ter sei zumin­dest teil­wei­se bekannt, hieß es vom AWI: Die­sel­ben Gase, die an der Erd­ober­flä­che zur glo­ba­len Erwär­mung füh­ren, för­dern dem­nach eine Abküh­lung der höhe­ren Luft­schich­ten in der Stra­to­sphä­re. Ver­mut­lich trü­gen auch Ände­run­gen in den Wind­sys­te­men im Zuge des Kli­ma­wan­dels zu den tie­fe­ren Tem­pe­ra­tu­ren im Polar­wir­bel bei.

Treibhausgas-Ausstoß entscheidend

Die künf­ti­gen che­mi­schen Ozon­ver­lus­te in der Ark­tis hän­gen den For­schern zufol­ge stark von der Men­ge der bis zum Ende des Jahr­hun­derts aus­ge­sto­ße­nen Treib­haus­ga­se ab. Bei dras­tisch redu­zier­ten Emis­sio­nen ist dem­nach mit einem bald ein­set­zen­den und danach bestän­di­gen Rück­gang der Ozon­ver­lus­te zu rech­nen. “Wenn wir unse­re Treib­haus­gas­emis­sio­nen nicht schnell und umfas­send redu­zie­ren, könn­te der ark­ti­sche Ozon­ver­lust trotz des gro­ßen Erfolgs des Mont­rea­ler Pro­to­kolls bis zum Ende des lau­fen­den Jahr­hun­derts immer schlim­mer wer­den statt der all­ge­mein erwar­te­ten Erho­lung zu fol­gen”, so Rex.

Das Mont­re­al-Pro­to­koll gilt als Mei­len­stein des Umwelt­schut­zes. Am 16. Sep­tem­ber 1987 unter­zeich­ne­ten zunächst 24 Natio­nen — dar­un­ter auch Deutsch­land — im kana­di­schen Mont­re­al ein Abkom­men zur Ret­tung der Ozon­schicht. Sie ver­pflich­te­ten sich, die Pro­duk­ti­on von Flu­or­chlor­koh­len­was­ser­stof­fen (FCKW) und ande­ren ozon­zer­stö­ren­den Sub­stan­zen zuerst ein­zu­däm­men und schließ­lich voll­stän­dig zu stop­pen. Bis dahin waren FCKW jahr­zehn­te­lang mas­sen­haft als Treib­ga­se in Sprays, als Kühl­mit­tel oder bei der Schaum­stoff­pro­duk­ti­on zum Ein­satz gekom­men. Durch eine dün­ne­re Ozon­schicht dringt mehr unge­fil­ter­tes UV-Licht auf die Erde, was zu Augen- und Haut­schä­den bis hin zu Haut­krebs füh­ren kann. 

“Ein wirkliches Ozonloch”

Noch sind sol­che Sub­stan­zen reich­lich in der Atmo­sphä­re vor­han­den, weil sie nur lang­sam abge­baut wer­den. “Bis zum Jahr 2000 stie­gen die Kon­zen­tra­tio­nen die­ser Sub­stan­zen im Polar­wir­bel noch”, erklär­te von der Gathen. “Seit­dem fal­len sie und lie­gen heu­te bei 90 Pro­zent des Maxi­mums.” Bei der Ant­ark­tis hof­fen For­scher auf ein lang­sa­mes Schlie­ßen des Ozon­lochs. 2019 war es — auf­grund beson­de­rer meteo­ro­lo­gi­scher Bedin­gun­gen — so klein wie seit rund 30 Jah­ren nicht mehr. Im Jahr dar­auf hielt sich über der Ant­ark­tis aller­dings eines der größ­ten und tiefs­ten Ozon­lö­cher der ver­gan­ge­nen 15 Jah­re, wie der Atmo­sphären­über­wa­chungs­dienst (CAMS) im Okto­ber berich­te­te. Von einem Ozon­loch spre­chen Exper­ten, wenn die Schutz­schicht so dünn wird, dass sie den Nor­mal­wert um etwa ein Drit­tel unterschreitet.

Im Früh­jahr 2020 hat­ten For­scher­grup­pen erst­mals ein Ozon­loch über der Ark­tis fest­ge­stellt. “Es ist im Moment ein wirk­li­ches Ozon­loch, wie wir es über der Ark­tis noch nie gese­hen haben, aber wie wir es ken­nen aus der Ant­ark­tis. Das ist ein sehr beson­de­res Ereig­nis”, hat­te Mar­tin Dame­ris vom DLR-Insti­tut für Phy­sik der Atmo­sphä­re gesagt. Schon eini­ge Zeit bekannt ist, dass FCKW nicht nur der Ozon­schicht scha­den, son­dern auch zur Kli­ma­kri­se bei­tra­gen: Sie wir­ken als Treib­haus­ga­se. Einer 2020 vor­ge­stell­ten Unter­su­chung zufol­ge ver­ur­sach­te die Frei­set­zung der Sub­stan­zen in der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts etwa ein Drit­tel des bis 2005 gemes­se­nen glo­ba­len Tem­pe­ra­tur­an­stiegs. In der Ark­tis ging sogar die Hälf­te der Erwär­mung und des Eis­ver­lus­tes in die­ser Zeit auf das Kon­to der Ozon­kil­ler, berich­te­ten For­scher im Fach­ma­ga­zin “Natu­re Cli­ma­te Chan­ge”

Bestä­ti­gen sich die neu gewon­ne­nen Erkennt­nis­se, tra­gen die FCKW also gleich auf zwei Wegen erheb­lich zu Ozon­ver­lus­ten im ark­ti­schen Polar­wir­bel bei — direkt in der Stra­to­sphä­re und über ihre Kli­ma­wir­kung. Grund­la­ge der aktu­el­len Stu­die waren Mes­sun­gen wäh­rend der etwa ein Jahr dau­ern­den Expe­di­ti­on “Mosaic”. Dabei drif­te­te das For­schungs­schiff “Polar­stern” ange­dockt an eine rie­si­ge Eis­schol­le durch das Nordpolarmeer.

Quel­le: ntv.de, kse/dpa

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